Über die Kraft, die aus positiven Beziehungen entsteht –
und die Kosten von Arschlöchern in der Organisation
Die Positive Psychologie kennt in diesem Zusammenhang das Konzept der Relationalen Energie (Kim Cameron). Das ist die Kraft, die man mit Menschen fühlt, mit denen man sich gut versteht und die uns wohlgesonnen sind. Das gilt für Organisationen wie auch im Privatleben.
Lesen Sie nachfolgend mehr darüber, wie Sie diese Qualität von positiven Beziehungen in Ihrem Arbeitskontext verstärken und Energieräuber identifizieren können.
Unerfreuliche Atmosphäre am Arbeitsplatz
Wenig Untersuchungen zu Stress am Arbeitsplatz fragen nach der Atmosphäre im Arbeitsalltag. Wenn man allerdings danach fragt, dann nimmt das Thema „negative Atmosphäre am Arbeitsplatz“ einen hohen Stellenwert ein. Nach dem deutschen Psychologen und Experten für Positive Psychologie, Dr. Nico Rose, ist Atmosphäre einer der wichtigsten Faktoren organisationaler Effektivität. Sie ist maßgeblich für die Qualität der Zusammenarbeit und damit für das Ergebnis verantwortlich.
Jeder von uns kennt das: wir treffen einen anderen Menschen und anschließend fühlen wir uns gestärkt, beschwingt, gut gelaunt oder auch einfach nur erschöpft, ausgelaugt und gestresst. Motivationale Kraft wird durch zwischenmenschlichen Kontakt verstärkt oder auch geschwächt, je nachdem, welche Erfahrungen wir in der jeweiligen Begegnung machen. Eine Diskussion über ein neues Projekt kann uns bestätigen und beflügeln, weil wir gute Fragen gestellt bekommen und wohlmeinende und sinnvolle Anregungen erhalten. Umgekehrt kann uns die gleiche Gesprächssituation auch verzagen lassen, wenn das Gegenüber destruktiv und abwertend reagiert.
In der Positiven Psychologie geht man davon aus, dass sich diese Erfahrungen, die wir machen bzw. die Energie, die hier zwischen zwei Menschen entsteht, verstärken. In der nächsten Begegnung wird etwas von unserem Ärger oder unserer Begeisterung mitschwingen und sich wiederum auf andere übertragen. So entsteht ein ständiges Zirkulieren von Beziehungsenergie in einem Unternehmen.
Führungskräfte als Hauptlieferanten oder Energiefresser von relationaler Energie
Menschen können andere also motivieren und energetisieren oder ihnen die Energie abziehen. Nico Rose schlägt vor, sich seine wichtigsten Kolleg*innen vor das geistige Auge zu holen und für jeden einzelnen folgende Frage zu beantworten:
„Nach einer Interaktion mit Person X fühle ich mich typischerweise:
- im Grunde unverändert,
- ein Stück weit erschöpft,
- ein Stück weit energetisiert.“
Schnell haben Sie eine intuitive Antwort darauf, wer für Sie Energieräuber oder -spender ist. Gatekeeper für Energie sind vor allem Führungskräfte. Nämlich in dem, was sie selbst einbringen und auch in dem, was sie an (abwertendem) Verhalten und Kommunikation zulassen oder aktiv unterbinden. Dabei geht es um Selbstführung einerseits und um Leadership andererseits. Führung bedeutet in diesem Kontext, wieviel Egokultur oder ich in meinem Team zulasse bzw. wie sehr ich Kooperation unterstütze und fördere.
Entsprechende Untersuchungen zeigen, es sind die Führenden, die den größten Einfluss auf den Energielevel einer Organisation haben und die Energie des Einzelnen beeinflussen. Je mehr relationale Energie eine Führungskraft versprüht, desto positiver sind die Effekte bei den Teammitgliedern in Bezug auf Produktivität, Arbeitsversäumnisse, Engagement und Arbeitsplatzerhalt (Studie Kim Cameron et.al, 2015).
Beziehungsnetzwerke analysieren – energetische Hot und Cold Spots identifizieren
Die amerikanischen Forscher Kim Cameron und Wayne Baker sind überzeugt, dass es einen Bedarf für Unternehmen gibt, diese interpersonelle Energie festzustellen und Wege zu finden, wie sie und damit das Arbeitsklima und die Produktivität verbessert werden können.
Sie haben dazu Fragebögen entwickelt, mit denen die Energiespender und Energieräuber in einem Team oder Unternehmen identifiziert werden können. Dabei fragen sie bspw. danach, ob…
- man eine Person aufsuchen würde, wenn man eine Aufmunterung benötigt,
- man sich lebendig fühlt, wenn man mit XY interagiert,
- oder ob man nach einem Austausch mit XY mehr Durchhaltevermögen verspürt.
Sie brauchen aber gar nicht so weit zu gehen, eine groß angelegte Untersuchung zu machen. Mir fällt hier die gute alte Beziehungsanalyse in Changeprojekten ein, in der wechselseitige Einflüsse der handelnden Personen sichtbar gemacht werden. Gleiches ist auch hier, einfach auf einem Blatt Papier oder einem Flipchart im Rahmen eines Coachings oder einer Teamentwicklung möglich.
Energetisierende Beziehungen fördern
Die folgenden Konzepte sprechen mich besonders an:
Die persönliche Werthaltung als Auswahlklriterium für die Personalauswahl
Buffer, ein amerikanisches Software-Unternehmen beobachtet bewusst das Social Media Verhalten seiner Bewerber*innen. Gescreent wird dabei, inwiefern diese sich im Internet über Alles und Jedes beschweren. Solche Nörgler werden systematisch aus der Bewerberliste ausgeschlossen.
Auch Netflix ist für seine „No Brilliant Jerks“-Politik bekannt und reagiert auf Mitarbeitende, die anderen den Tag vermiesen und damit die Produktivität untergraben.
„The No Asshole Rule“
Robert Sutton plädiert in seinem Buch „The No Asshole Rule” für das Ende der Toleranz gegenüber Arschlöchern im Beruf, Wirtschaft und Politik. Seine Wortwahl ist bewusst gewählt, da seiner Meinung nach alle anderen Wörter dem destruktiven Potenzial dieser egozentrischen und machthungrigen Menschen nicht gerecht werden. Egal wie kompetent oder mächtig jemand ist, diese hier so genannten Assholes sollten sofort in ihre Grenzen gewiesen werden. Man sollte sie nicht im eigenen Team akzeptieren, nicht für sie als Vorgesetzte arbeiten und nach Möglichkeit auch keine Produkte von ihnen kaufen.
Beziehungsrelevantes Verhalten an Ziele knüpfen
Der Software-Hersteller Atlassian hat in diesem Zusammenhang sein Beurteilungsverfahren umgestellt. Leistungsaspekte machen nur ein Drittel des Performance Reviews aus. Die restliche Bewertung hängt davon ab, wie man die Unternehmenswerte lebt sowie transparent und teamfördernd kommuniziert.
Selbstmanagement unterstützen
Facebook unterstützt seine Mitarbeiter*innen durch Trainings zum Thema Selbstmanagement dabei, ihre Energieräuber und Blockaden kennenzulernen und auszuräumen. Gleichzeitig werden die Mitarbeitenden darin gestärkt, (im Sinne der positiven Psychologie) selbst zu Energiespendern zu werden.
Bürogestaltung beachten
Im Kontext von Agile Working hat sich auch die Büroinnenarchitektur in vielen Unternehmen geändert, um zu mehr Austausch und Kollaboration einzuladen. Dies sollte auch durch die Führungskräfte gefördert und vorgelebt werden.
Beratung zum Thema Relationale Beziehungen, Umgang mit Brilliant Jerks & Co.
Mailen Sie mir oder rufen Sie mich an: michaela.stark@blaufeuer.at, mobil: +43 664 5451 340
Quellen
Dr. Nico Rose: “Relationale Beziehungen“ in managerSeminare, Heft 260, November 2019,
Sebastian Klein, „Warum sind Arschlöcher so erfolgreich? Und was können wir dagegen machen?“, Neue Narrative, Berlin