Jedes Jahr mit dem Beginn der Fastenzeit gehe ich in den Keller und hole die alten Hasen-Schokoladenformen aus der Konditorei meiner Urgroßeltern. So schmücke ich dann, in nostalgischen Erinnerungen schwelgend, unser Wohnzimmer. Sie erinnern mich an meine Kindheit, als es noch riesige Schokoladenhasen gab, die mit einer großen Schleife um den Hals und in transparente Folie verpackt waren. Die größten Hasen waren ca. 30 cm hoch, für mich als kleines Mädchen der absolute Traum. Heute weiß ich, welche Bedeutung nicht nur die Erinnerung, sondern vor allem auch das damit verbundene positive Gefühl der Nostalgie auf mein Wohlbefinden hat. Dieser Blogbeitrag widmet sich der Nostalgie als emotionale Ressource.
Nostalgie – positive Effekte eines lang unterschätzten Gefühls
Nostalgie wurde über Jahrhunderte als negative Emotion, z.B. im Sinne von extremem Heimweh abgetan. Erst in den 1970er Jahren wurde diese Auffassung infrage gestellt und die positiven Seiten der Nostalgie entdeckt. Der Soziologe Fred Davis bemerkte, dass Kindheitserinnerungen häufig Empfindungen wie Geborgenheit auslösen. Daher hielt er die sentimentale Rückschau für ein wichtiges Werkzeug, um eine eigene Identität schaffen und festigen zu können. Damals stieß seine Annahme auf Kritik. Doch zahlreiche Experimente der vergangenen fünfzehn Jahre legen nahe, dass er recht hatte. Die positiven Effekte gehen dabei weit über ein kurzfristiges gutes Gefühl hinaus.
Die drei positiven Funktionen der Nostalgie sind:
- Stärkung unseres Selbstbewusstseins und einer optimistischsten Sichtweise in die Zukunft
- Schärfung für die Sinnhaftigkeit unseres eigenen Lebens (das was wirklich zählt)
- Festigung der Verbundenheit mit wichtigen Menschen
Die überraschend positive Wirkung von Nostalgie im Arbeitsalltag
Nostalgie, das sentimentale Sehnen nach der eigenen Vergangenheit, hat motivationale Implikationen. Natürlich gibt es auch hier Schattenseiten, beispielsweise wenn die Sehnsucht nach der guten alten Zeit notwendige Veränderungen in einer Organisation behindert. Jeder, der schon einmal in einem Change-Projekt verantwortlich war, kennt die Folgen dieses Widerstand-Phänomens. Mit dem Festhalten an der Vergangenheit geht der Blick für die Realität verloren.
Andererseits fördern nostalgische Erinnerungen in uns das Gefühl von Jugendlichkeit und Energie, sie inspirieren uns und ermutigen uns, ein gewisses Risiko einzugehen. Nostalgie fördert unser Streben nach wichtigen Zielen und erhöht nachweisbar unsere Handlungsmotivation.
Indem Nostalgie die soziale Verbundenheit stärkt, steigert sie auch die Motivation und Leistung. Diverse Forschungsexperimente haben gezeigt, dass Angestellte ihre eigene Tätigkeit in Verbindung mit nostalgischen Erinnerungen wieder als sinnvoll und Gewinn bringend erleben – und seltener über eine Kündigung nachdenken.
In Zeiten, in denen Unternehmen ihre wichtigen Leistungsträger binden wollen, festigt der Raum für gemeinsame nostalgische Erinnerungen (als Teil der Unternehmenskultur oder des Führungsstils) die Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen. Mitarbeitende, die mit ihrem Team oder Unternehmen nostalgische Erinnerungen und Gefühle verbinden, haben eine erhöhte Neigung, anderen zu helfen und sich zu engagieren.
In diesem Sinne steigert Nostalgie unsere Motivation!
Wann erleben wir Nostalgie?
Studien haben gezeigt, dass Nostalgie beispielsweise durch Musik, Fotos, Gerüche, Gegenstände aus der Vergangenheit ausgelöst wird. Häufig dienen nostalgische Erinnerungen auch dazu, negative Stimmungen zu bekämpfen, z.B. den Verlust eines geliebten Menschen. Nostalgie hat das Potential, bedrohliche Situationen abzumildern und uns positiv in die Zukunft sehen zu lassen. Allerdings profitieren wir von dem Gefühl der Nostalgie nicht, wenn wir der Vergangenheit nachtrauern, sondern wenn wir uns über vergangenes Glück freuen können.
Nostalgie als menschliche Stärke
Nostalgie ist eine fundamentale Fähigkeit unserer Selbstregulation, um auch in schwierigen Situationen Wohlbefinden herzustellen. Aus unseren nostalgischen Erinnerungen ziehen wir Bedeutung für unser Leben, Optimismus und innere Stärke, um zukünftige Herausforderungen zu meistern.
Mit nostalgischen Erinnerungen Ihr Team inspirieren
Wann haben Sie das letzte Mal nach Erfolgen, besonderen Erlebnissen oder Erfahrungen in Ihrem Team gefragt? Wie sehr nehmen Sie sich gemeinsam die Zeit, in diese Erinnerungen einzusteigen und sie zu vertiefen. „Erinnert Ihr Euch noch, als wir damals diese spezielle Ausschreibung gewonnen haben“, „diesen tollen Team-Event in den Alpen hatten“, „als wir nach zwei Monaten intensiver Überstunden, mit durchrauchten Nächten und dunklen Augenringen endlich den Durchbruch erzielt haben?“
Solche Momente schweißen uns zusammen. Sie erinnern uns an unsere Potenziale, an Erfolge, auch an Misserfolge, an Momente des persönlichen Wachstums und der gemeinsamen Größe. Wir können diese sentimentalen Momente aktiv nutzen, um Menschen an das gemeinsame Ziel, an die besondere Verbundenheit, an die vorhandenen Stärken und den Sinn in Ihrem Beruf zu erinnern.
So können wir auch die aktuelle „Hasenzeit“ nutzen, um unsere guten Gefühle zu aktivieren. So wie sich eine Freundin von mir gerade in ihrem aktuellen Blog erinnert hat, wie die Mama damals in ihrer Kindheit Mehlspuren mit der Fingerspitze von der Haustür zum Osternetz tupfte, um ja keinen Zweifel an der tatsächlichen Existenz des Osterhasens aufkommen zu lassen. Bei mir entstand schon beim Lesen dieser Zeilen ein gutes Gefühl. So wie meine Hasenformen mich an meine Kindheit mit den bunten Eiern erinnern, die meine Mutter bei einem Spaziergang auf einer großen Wiese ausstreute.
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen „frohe Ostern!“ mit viel Zeit für nostalgische Rückblicke.
Quellen:
Spektrum.de: Nostalgie – Sehnsucht nach gestern, Tim Wulf, Constantine Sedikides & Tim Wildschut;