In meinem ersten Blog-Post zum Thema „Lateral führen – Teil 1″ gab ich einen Überblick über das Konzept des lateralen Führens. In diesem Beitrag widme ich mich nun der Beziehungsebene zwischen den Stakeholdern.
Erst, wenn hier die Basis stimmt, kann man miteinander Pläne schmieden und sich der Kooperationsbereitschaft des anderen ein Stück weit sicher sein. Vertrauen ist die halbe Miete im Konzept des Lateralen Führens.
Die Beziehung und das Vertrauen verbessern
Um die Verständigung zwischen zwei Mitarbeiter*innen unterschiedlicher Abteilungen zu verbessern, hilft es nicht , sich nur über die jeweiligen Zwänge und Sichtweisen auszutauschen. Erst eine einigermaßen sichere, vertrauensvolle Beziehung bietet die Grundlage für offene und konstruktive Gespräche und Diskussionen.
Nehmen wir folgendes Beispiel: zwei Mitarbeiter*innen aus unterschiedlichen Bereichen, zum Beispiel aus der HR-Abteilung und aus dem Marketing arbeiten an einem gemeinsamen Projekt zum Thema „Employer Branding“. Dabei geht es einerseits um die Erhöhung und Sichtbarkeit der Arbeitgeberattraktivität für potenzielle Bewerber*innen und Talents und andererseits um die Steigerung der Bindung an das Unternehmen. Ein Recruiting-Video oder die eigene Facebook-Karriereseite reichen dazu nicht aus. Standards differenzieren nicht. Genau das muss beim Employer Branding aber erreicht werden, um sich positiv von der Konkurrenz abzuheben. Daher muss ein Markenbild, müssen die Zielgruppen und Mediakanäle definiert werden, muss eine ganzheitliche Strategie bearbeitet werden. Die HR-Abteilung hat allerdings meist nur ein beschränktes Budget zur Verfügung, während die Marketingabteilung grandiose Ideen zur Umsetzung hat. Jetzt gilt es sich zu einigen und einen gangbaren und sinnvollen Weg zu finden.
Vertrauen als Basis für tragfähige Kooperationen
Angenommen, die beiden Mitarbeiter*innen haben eine vertrauensvolle Beziehung, die von gegenseitiger Sympathie und Wertschätzung getragen ist, dann wird der gemeinsame Prozess voraussichtlich reibungsloser verlaufen, als wenn sie sich nicht kennen oder sich nicht schätzen. Es geht also darum, im ersten Schritt Vertrauen herzustellen, bevor man überhaupt anfängt, über Erwartungen oder die Sinnhaftigkeit des Vorhabens zu diskutieren.
Investitionen in unsere Beziehungen
„Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“. Dieser alte Spruch gilt noch heute. Gute Beziehungen wollen gepflegt werden! Niemand führt eine gute Freundschaft, nur weil man sich gemeinsam durch´s Studium gekämpft hat. Freundschaften brauchen Aufmerksamkeit und Zuwendung. Und bei beruflichen Beziehungen ist das nicht anders.
Anregungen aus dem Working Out Loud Konzept
Auf der Suche nach gehaltvollem Input für diesen Beitrag fand ich gute Anregungen dazu bei John Stepper, dem Gründer von „Working Out Loud“ (WOL), einer „inneren Haltung“ zum Thema Kooperation. Stepper beschreibt WOL als einen Weg, um Beziehungen aufzubauen. Und diese tragfähigen Beziehungen helfen dabei, ein Ziel zu erreichen oder eine Fähigkeit zu entwickeln. Dabei geht es um mehr, als um reines Netzwerken. John Stepper rät, in Beziehungen zu investiert, sodass diese von gegenseitigem Vertrauen und Wertschätzung getragen sind. Erst dann entsteht auch die Bereitschaft jemandem zu folgen, ihm einen Gefallen zu tun oder sich für ein Thema zu engagieren.
⟶ Nachfolgend finden Sie zwei abgewandelte Methoden aus dem WOL-Konzept:
1. Die Beziehungsliste
So geht es: Man erstellt eine Beziehungsliste mit den 10 – 15 wichtigsten persönlichen internen und externen Stakeholder*innen. Dann schätzt man für jede Person den Grad der persönlichen Vertrautheit, z.B. nach dem Schulnotensystem ein und schreibt ihn in eine Spalte. Es geht einerseits darum, wie gut man sich kennt und andererseits darum, wie viel gegenseitiges Vertrauen vorhanden ist.
Anschließend trägt man den persönlichen Beitrag ein, den man selbst aktiv für diese Beziehung leistet. Das können wichtige Informationen sein, die man ungefragt weitergibt. Oder auch ein ernst gemeintes Kompliment, eine Einladung auf einen Kaffee oder zu einem Mittagessen. Ein Artikel, der für das Gegenüber interessant sein könnte. Hier gibt es viele Möglichkeiten.
Im Anschluss entscheidet man sich, welche 3 Beziehungen man aus welchen Gründen verbessern möchte und was ein möglicher Beitrag dafür sein könnte. Das wäre dann Beziehungsarbeit im beruflichen Kontext 😀.
Ein Beispiel für eine solche Beziehungsliste
Meine wichtigsten Stakeholder | Der Grad unserer persönlichen Vertrautheit | Mein Beitrag, den ich für diese Beziehung leiste | Was eine nächste, „großzügige“ Geste sein könnte |
Claudia, Marketing, seit 3 Monaten im Unternehmen | 4 – wir kennen unsere Namen und unser Gesicht | keiner | Eine Einladung auf einen Kaffee, um sich persönlich vorzustellen und kennenzulernen |
Stefan, Abteilungsleiter im Marketing | 2 – wir haben schon in einem schwierigen Projekt zusammengearbeitet | nach dem Projekt ein Mail mit einem persönlichen Danke geschrieben | ihm einen interessanten Artikel ungefragt weiterleiten |
Die Marketing-Abteilung an sich | 3 – wir arbeiten ab und zu miteinander; manche MA kenne ich nicht | keiner | proaktiv zu einem Meeting, bei dem HR die wichtigsten neuen Projekte vorstellt einladen – mit Frühstück |
Die Frage nach dem eigenen Beitrag
Den größten Charme bei dieser Beziehungsliste hat die Frage nach dem eigenen Beitrag. Wie oft gehen wir davon aus, dass allein unsere Rolle bzw. unsere Person oder die tolle Idee dazu beitragen, jemanden für sich bzw. eine Sache zu gewinnen. Aber nein! Beziehungen entstehen aus Gegenseitigkeit und Aufmerksamkeit. Dazu im nächsten Absatz gleich mehr.
2. Großzügigkeit – Die Theorie der kleinen Geschenke
Die dunkle Seite des Schenkens ist die Manipulation. Viele Menschen sind darauf programmiert, sich bei einem Geschenk zu revanchieren. Das nutzen beispielsweise Wohltätigkeitsorganisationen mit kleinen Geschenken in ihren Briefen, um das Spendenaufkommen zu erhöhen. Geschenke lösen meist ein Gefühl der Verpflichtung aus und machen es wahrscheinlicher, dass der Adressat im Gegenzug etwas tut. Schon die Aufforderung in Gegenleistung zu treten „Das nächste Mal tust du mir einen Gefallen“ kann das Gefühl von Manipulation auslösen.
Kleine Geschenke wirken magisch
Kleine Geschenke, die man ohne Hintergedanken gibt, sind wie Magie für beide Seiten. Für den Schenkenden fühlen sich die Beiträge authentisch und aufrichtig an, denn es gibt keine Bedingungen. Es ist einfacher, etwas zu geben, weil man nicht versucht jemanden zu manipulieren oder etwas zu verkaufen, sondern weil man einfach nur hilfsbereit ist. Der Empfänger spürt das, und fühlt sich nicht verpflichtet, etwas zurückzugeben. Dadurch fühlt sich das Geschenk nicht wie ein ungewolltes Tauschgeschäft an.
Diese Freiwilligkeit des Schenkens schafft ein sicheres Netzwerk. Es entsteht eine gegenseitige Neigung, etwas erwartungsfrei zu geben. Allerdings, kleine Geschenke zu verteilen erfordert eine gewisse Übung.
So geht es:
Die kleinen Gesten des Schenkens sind vielfältig. Es geht um …
- ehrliche, nicht absehbare kleine Komplimente („Du bist immer so gut gelaunt, das steckt einfach an. So macht die Zusammenarbeit richtig Spaß. Vielen Dank.“),
- um Zeit,
- um Aufmerksamkeit („Passt 8:00 Uhr als Startzeit für dich oder musst du deine Tochter noch in die Schule bringen“; „Du warst letzte Woche so begeistert von der Schokolade, ich habe dir heute eine mitgebracht“)
- Buchempfehlungen, Links, Vernetzungsangebote, freiwillig angebotene Informationen oder kleine Dienstleistungen
…
Allerdings funktioniert das Ganze nicht, wenn man einfach kommentarlos einen Link oder ein Vernetzungsangebot mit einem interessanten Menschen per Mail versendet.
Wertschätzung, Personalisierung und Bedeutung sind die Schlüssel zur Empathie.
„Warum schicke ich gerade diesen Link, was habe ich mir dabei gedacht?“ „Warum gerade an diesen Kollegen?“ „Was wird die andere Person denken, wenn sie das liest?“ Ganz gleich welches Medium wir nutzen, um jemanden zu erreichen, wir sollten immer aufrichtige, wohlüberlegte Wertschätzung für den Empfänger zeigen und unsere Überlegungen offenlegen.
Die Tafel Schokolade auf dem Schreibtisch ist eine nette Geste. Aber eigentlich verpufft ein großer Teil der Wirkung durch unterlassene Personalisierung. Erst der Hinweis, warum man gerade diese Schokolade und genau zu diesem Anlass, dieser Person schenkt, macht die Schokolade zu etwas Besonderem. Dann sind es mehr als 600 Kalorien. Es ist fast eine kleine, Mini-Krönung, wenn der andere hört „Du warst so enttäuscht, als letzte Woche die Schokolade aufgegessen war, auch noch deine Lieblingsschokolade. Diese ist einfach nur für dich, meinen geschätzten Kollegen“.
Noch ein Beispiel: „Wir hatten doch letzte Woche über das Thema XY gesprochen und du hast mir erzählt, dass du dich hier noch tiefer einarbeiten möchtest. Mir ist in diesem Zusammenhang Thomas Maier eingefallen, der sich schon seit Jahren intensiv damit beschäftigt. Wenn es für dich von Interesse ist, spreche ich ihn gerne darauf an, ob er zu einem Austausch bereit wäre. Wäre dir das recht?“