Ein Steuerrad als Metapher für laterales Führen

Lateral führen – So geht Führen ohne Macht

Dass nicht nur Führungskräfte führen, sondern auch Mitarbeiter*innen immer öfter in die Situation kommen, andere von ihrer Meinung zu überzeugen, erlebt in den letzten 15 Jahren jede/r. Spätestens mit dem Thema Agilisierung ist die Führung ohne hierarchische Macht wieder in den Mittelpunkt gerückt. Neu ist das Modell  „Laterale Führung“ nicht. Schon Ende der Neunziger Jahre veröffentlichten zwei amerikanische Weiterbildungsexperten ein Buch namens „Lateral Leadership“, auf deutsch „Führen ohne Auftrag“.

Die Herausforderungen beim lateralen Führen sind die verschiedenen Softskills, die dafür vorhanden sein bzw. entwickelt werden müssen

Die Fähigkeit der eigenen Mitarbeitenden, ihre Stakeholder zur Kooperation zu bewegen, Lösungen zu entwickeln und Vorgehensweisen zu vereinbaren, ist ein Erfolgsfaktor. Mitarbeiter*innen mit diesem Kompetenzbündel sparen Zeit, Ärger und Konflikte. Sie sorgen für reibungsfreiere Projekte, zufriedenere Kooperationspartner*innen und Kund*innen und Lösungsorientierung.

Laterale Führung bzw. Einflussnahme gelingt maßgeblich über Vertrauen und Verständigung. Sie stützt sich nicht auf die hierarchische Macht. Stattdessen stärken persönliche Autorität und Integrität, ein ausgewiesenes Expertentum oder auf ein gezieltes Networking die eigene informelle Machtbasis.

Führung ohne Macht ist die Fähigkeit, so auf Menschen zu wirken, dass sie in eine gewünschte Richtung handeln. Das ist gar nicht so einfach, wenn man sich vor Augen hält, dass Menschen in Unternehmen oft divergierende Interessen haben. So hat das Marketing hauptsächlich den Kunden im Blick, während die Produktion auf die Machbarkeit und das Management auf die Kosten schaut.

 

Beispiele für laterale Führung

Zwei Mitarbeiter*innen unterschiedlicher Unternehmensbereiche müssen gemeinsam zu einer Verständigung gegenüber dem Kunden kommen. Eine Organisationseinheit muss sich mit ihren Zulieferern darüber einigen, wer welche Leistung für einen gemeinsamen Kunden erbringt. Innerhalb eines übergreifenden Projektteams müssen sich die Mitglieder für ein Vorgehen entscheiden.

Immer wieder geht es darum, eigene Interessen ein- oder auch durchzubringen, ohne dass die Kooperation auf der Strecke bleibt.  Und das vor allem dann, wenn es keine übergreifende, rationale und alle zufriedenstellende Lösung gibt.

 

Instrumente lateraler Führung

Beim lateralen Führen können keine Anweisungen erteilt werden. Der Organisationsberater Stefan Kühl und der Mitbegründer von Metaplan, Wolfgang Schnelle, beschäftigen sich seit fast zwanzig Jahren mit dem Thema. Sie definieren drei verschiedene Instrumente als Kernbestandteile des lateralen Führens:

  • Verständigung herstellen – Reden wir vom Gleichen? Haben wir einen gemeinsamen Denkrahmen, in dem wir uns bewegen und der an die Stelle von verfestigten Meinungen tritt?
  • Vertrauen erzeugen und halten – Kann ich andere für mich gewinnen? Wie schaffe ich Vertrauen in mich und meine Kompetenz?
  • Macht arrangieren – Wie nutze ich mögliche Machtmittel abseits der Hierarchie?

In diesem und den nächsten Blogs werden die einzelnen Instrumente genauer vorgestellt:

 

Verständigung – Die Überwindung verfestigter Denkgebäude

In jedem Unternehmen gibt es unterschiedliche Verantwortungsbereiche und damit auch unterschiedliche Ziele und Interessen. Dabei hat jeder Mensch, jeder Bereich seine eigene Vorstellung/Landkarte davon, wie er die eigene Rolle definiert.

Jede Abteilung, jeder Bereich, jedes Team glaubt, ihre eigene Problemdefinition oder ihre Lösungsvorschläge stünden im Einklang mit der Sache. Zugleich erscheinen ihnen die aus anderen, zunächst fremden Zusammenhängen stammenden Argumente oft als irrelevant. Das Konzept des lateralen Führens hilft, die Menschen unterschiedlicher Bereiche trotz dieser unterschiedlichen Ziele, Bedürfnisse und Grundannahmen zusammenzubringen.

 

Folgende Fragen helfen uns dabei, unsere Stakeholder besser zu verstehen:

  • Was sind unsere Grundannahmen über unseren Auftrag und unser Ziel?
  • Was sind die Grundannahmen der anderen Seite?
  • Welche Grundannahmen bzw. Auffassungen widersprechen sich?
  • Welche (eigennützigen) Interessen unterstellt eine Gruppe der anderen Gruppe?
  • Welche Interessen meldet die Gruppe selbst (offen) an?
  • Was hat die andere Abteilung für Ziele?
  • Wofür werden die Mitarbeitenden belohnt?
  • Was ist ihnen unheimlich?

Meist glaubt man selbst, man würde eine Situation objektiv darstellen und die andere Seite meint das natürlich auch. Dabei werden nur die jeweiligen inneren Landkarten bzw. abteilungsinternen Regeln und Werte ausgetauscht. In Kooperations-Situation geht es darum, miteinander Verständigung über die Sachprobleme herzustellen, die aufgrund der Arbeitsteilung und Organisationsstrukturen entstehen.

 

Verständigung herstellen

Solange man nicht weiß, was für die andere Seite wichtig und leitend ist, solange kann man sich nicht auf die Kooperationspartner*innen einstellen und gemeinsamen Spielraum entdecken. „Denkstrukturen klären“ und „Regeln ändern“ sind zwei mögliche Steuerungs- und Interventionsmöglichkeiten, wenn man Verständigung erzielen will.

Was muss ich nun tun, um die Verständigung zwischen mir und meinen Stakeholdern zu verbessern? Folgende Aspekte unterstützen dabei:

  • die eigene Landkarten/Denkstrukturen kennen und hinterfragen
  • die eigenen Werte und die der anderen kennen und verstehen
  • den eigenen Blickwinkel (Denkstrukturen) erweitern, um ein Verständnis der gemeinsamen Aufgabe herzustellen
  • mit unseren Kooperationspartnern die individuellen Interessen und Auffassungen sondieren, um miteinander Ziele und Reibungspunkte zu klären

Für diesen Austausch eigenen sich moderierte Gespräche, Meetings oder Workshops. Es geht dabei immer um Austausch und wertschätzende Kommunikation. Allein im stillen Kämmerchen kann man sich selbst auf die Spur kommen, ein besseres Verständnis für den anderen entwickeln, nicht aber ein gemeinsames Vorgehen vereinbaren. Darum geht es im nächsten Instrument für laterale Führung: die Kommunikation verbessern.

Mehr dazu lesen Sie in meinem nächsten Blogbeitrag.

Quelle

Andrea Bittelmeyer, Managen ohne Weisungsbefugnis – Laterale Führung, managerSeminare, Heft 108, März 2007

Stefan Kühl, Thomas Schnelle, Wolfgang Schnelle, Führen ohne Führung, Harvard Business manager, Januar 2004

Johann Scholten, Laterale Führung: So geht Führung ohne Macht, www.business-wissen.de